von Angela Ehling (Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR)
Sammlungen jeglicher Art sind immer ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Interesses. Die Entwicklung und der Inhalt wissenschaftlicher Sammlungen spiegeln das Interesse an der Erforschung von Materialien, Objekten und Themen ihrer Zeit wider.
Obwohl Stein seit Jahrtausenden als Baumaterial verwendet wird, begann die systematische, wissenschaftliche Erforschung seiner bautechnischen Eigenschaften erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Zu dieser Zeit gab es bereits die Eisenbahn als Transportmittel, sodass nicht nur nahegelegene Steinvorkommen, sondern auch Steine aus weiter entfernten Regionen genutzt werden konnten. Die Qualität der Bausteine und ihre Haltbarkeit spielten eine immer wichtigere Rolle. Es war die Zeit, in der geowissenschaftliche Einrichtungen und Materialprüfungsinstitute gegründet wurden. In Berlin waren das 1873 die Königlich-Preußische Geologische Landesanstalt (KPGLA) und 1884 die erste Materialprüfanstalt (offiziell MPA ab 1904). Der Beginn der systematischen, wissenschaftlichen Untersuchung von Bausteinen in Deutschland ist seit den 1890er Jahren in Berlin geknüpft an Hugo Koch (Koch 1892) und Julius Hirschwald (Hirschwald 1910) an der Königlich-Technischen Hochschule zu Berlin sowie August Leppla an der PGLA in Zusammenarbeit mit dem Materialprüfungsinstitut.
Diese Entwicklung spiegelt sich in der Bausteinsammlung der PGLA wider, die heute Teil der Sammlungen der BGR ist. Zu den ältesten Objekten dieser Sammlung gehören 20 kleine Würfel aus französischen Kalksteinen, die wahrscheinlich in den 1870er Jahren in die Sammlung Eingang fanden.

Abb. 1. Musterwürfel französischer Kalksteine (19. Jh.).

Abb. 2. Naturstein-Testwürfel der Materialprüfanstalt Berlin-Dahlem (1898).
In den 1920er und 1930er Jahren waren es vor allem Otto Burre und Wilhelm Dienemann, die sich an der PGLA intensiv mit den Baugesteinen in Deutschland befassten (Dienemann & Burre 1929). In Zusammenhang mit ihren Untersuchungen wuchs die Sammlung der PGLA schnell und stetig auf etwa 3.000 Proben im Jahr 1936 an. Die Proben stammten aus dem gesamten Gebiet des damaligen Deutschlands sowie den damaligen deutschen Kolonien, v.a. das heutige Namibia.

Abb. 3. Musterplatte Marmor aus Namibia (1908).
Im Rahmen des Aufbaus der Deutschen Steinbruchkartei (DSK) durch das Institut für Steine und Erden in Köthen, die PGLA und die MPA in Berlin seit 1935 wurden bis 1942 ca. 400 Steinbrüche dokumentiert und deren Gesteine petrographisch an der PGLA untersucht. Die Sammlung wuchs um weitere rund 1.000 Platten, Handstücke und Dünnschliffe.

Abb. 4. Schrank der „Köthener Sammlung“ des Instituts für Steine und Erden (1935-1942) (Vitrine neu bestückt)

Abb. 5/6. Granite aus der Lausitz in der Handstück-Sammlung (links); Bausandsteine aus dem Teutoburger Wald in der Handstück-Sammlung (rechts).
Nach dem Krieg und der Teilung Deutschlands verblieb die Sammlung in der DDR am Zentralen Geologischen Institut (ZGI). 1961 wurde auch die Sammlung „Steine und Erden“ des Köthener Instituts an das ZGI nach Berlin überführt. Diese Sammlung enthielt in der Hauptsache Technische Gesteine und Erden aber auch einige Naturwerksteine. Im Rahmen einer Studie über die Naturstein-Vorräte der DDR im Jahr 1975 (GFE 1977) wurden ca. 150 Kleinplatten in der Sammlung hinterlegt. Insgesamt wuchs die Sammlung bis 1989 um etwa 500 Platten und Handstücke.
Seit 1990 gehört die Sammlung zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und hat sich seitdem auf etwa 9.500 Platten und Handstücke sowie etwa 2.500 Dünnschliffe verdoppelt.
Das ist das Ergebnis intensiver Forschungen zu Bausteinen und insbesondere zu historischen Bausandsteinen in Deutschland und den Nachbarländern (2.100 Proben) (Ehling et al. 2011, 2018). Dazu kommen Ankäufe und Sammlungsübernahmen von Universitäten, an denen Natursteinforschung betrieben wurde.
Heute sind die Platten in einem modernen Auszugssystem sehr anschaulich präsentiert; primär nach Gesteinsarten und sekundär regional geordnet. Die Handstücke werden in Schränken aufbewahrt.

Abb. 7. Naturwerkstein-Plattensammlung im modernen Auszugssystem.
Die Mitarbeit der BGR in der IUGS Subcommission on Heritage Stones spiegelt sich in der neuesten Teilsammlung wider: der IUGS Heritage Stones Collection, die stetig vervollständigt wird (siehe Titelbild). Ein IUGS Heritage Stone ist ein von der IUGS ausgewiesener Naturstein, der an bedeutenden Bauwerken und Denkmälern verwendet wurde und als integraler Bestandteil der menschlichen Kultur anerkannt ist. Bis 2024 wurden weltweit 55 Naturwerksteine als IUGS Heritage Stones ausgewiesen (Ehling et al. 2024). Darunter befinden sich bekannte Steine wie Carrara-Marmor oder Solnhofener Kalkstein, aber auch Steine, die nicht jedem bekannt sind, wie der Lalibela-Stein aus Äthiopien oder der Jaisalmer Kalkstein aus Indien.
Seit 2025 ist die Naturwerksteinsammlung der BGR online verfügbar. Die online-Anwendung enthält sämtliche Angaben zu den Proben, Fotos (bisher nur zu den Platten, 2026 alle), teilweise petrographische Beschreibungen und/oder beigefügte Publikationen bzw. Links zu den selbigen à https://gewis.bgr.de. Die an der BGR durchgeführten Analysen zur Mineralogie und Geochemie der Naturwerksteine an etwa einem Drittel der Sammlungsproben werden ab 2027 ebenfalls online verfügbar sein.

Abb. 8. Screenshot der Online-Datenbank der Naturwerksteinsammlung der BGR. Erreichbar unter https://gewis.bgr.de.
Die historischen Platten und Proben aus inzwischen stillgelegten Steinbrüchen sowie die aktuellen Proben aus aller Welt sind sehr wertvoll für die Provenienzforschung von Bau- und Dekorationssteinen an und in historischen Gebäuden sowie für die Suche nach geeigneten Ersatzsteinen.
Die Sammlung ist für alle interessierten Besucher zugänglich. Sie dient als Archiv, aber auch als Bildungsstätte für Studierende der Geowissenschaften und der Steinrestaurierung sowie für Steinmetzlehrlinge.
Literatur
Dienemann, W. & Burre, O. (1929). Die nutzbaren Gesteine Deutschlands und ihre Lagerstätten mit Ausnahme der Kohlen, Erze und Salze. Bd. II: Feste Gesteine: Stuttgart 1929.
Ehling, A. & Siedel, H. (Koord.) (2011). Bausandsteine in Deutschland. Band II: Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schlesien (Polen); 324 p., Schweizerbart, Stuttgart.
Ehling, A. & Lepper, J. (Eds.) (2018). Bausandsteine in Deutschland. Band III: Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen; 636 p., Schweizerbart, Stuttgart.
Ehling, A.; Kaur, G.; Wyse Jackson, P.N.; Cassar, J.; Del Lama, E.A.; Heldal, T. (eds.) (2024). The First 55 IUGS Heritage Stones. IUGS.
GFE (1977). Abschlussbericht Höffigkeitseinschätzung Werk- und Dekorationssteine der DDR.
Hirschwald, J. (1910). Die bautechnisch verwertbaren Gesteins-Vorkommnisse des Preussischen Staates und einiger Nachbargebiete. Berlin.
Koch, H. (1892). Natürliche Bausteine Deutschlands. Berlin.
Titelbild: IUGS Heritage Stones (Auswahl), Platten jeweils 15×15 cm von links oben nach rechts unten: Podpec Kalkstein, Rosa Beta-Granit, Malmsbury Blaustein (Basalt), Jaisalmer Kalkstein, Rochlitzer Porphyrtuff, Denizli-Travertin, Deutscher Dachschiefer, Carrara Marmor, Kalkstein Belgisch Schwarz, Tsukuba-Massiv-Granit, Kolmarden Marmor, Virolahti Pyterlit, Tennessee Marmor (Kalkstein), Solnhofen Kalkstein, Jura Marmor (Kalkstein).
Bilder: © BGR, Angela Ehling
Beitrag bei der Redaktion eingegangen: 12.12.2025
